Alexander Stiebling

Geschäftsführer der Reifen Stiebling GmbH

Die Reifen Stiebling GmbH ist führender Reifenvermarkter in NRW. Über 200.000 PKW- und fast 40.000 LKW-Reifen wurden letztes Jahr verkauft, montiert und „vulkanisiert“. Seit der Gründung in 1929 in Herne bei Bochum ist das Unternehmen in Familienbesitz. Mittlerweile ist der Urenkel des Gründers im Unternehmen angekommen und läutet als vierte Generation das digitale Zeitalter ein.

 

Alexander Stiebling hat seinen Bachelor in Hannover und seinen Master in Family Entrepreneurship an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen absolviert. Nach verschiedenen beruflichen Stationen im In- und Ausland mit Fokus auf die Reifenbranche, leitet er nun gemeinsam mit seinem Vater Christian Stiebling das Unternehmen. Heute erzählt er uns, was Arbeitgeberattraktivität aus seiner Sicht ausmacht und wie er dem Fachkräftemangel seiner Branche trotzt.

Du teilst dir die Geschäftsführung mit deinem Vater. Wie habt ihr euch die Arbeit aufgeteilt?

Momentan profitiere ich von dem Luxus, dass ich mich durch die noch hohe Präsenz meines Vaters immer wieder intensiv auf Zukunftsthemen fokussieren kann. Wir haben einen Modus gefunden, der mir genug Gestaltungsspielraum gibt, um mich mit unserem Geschäftsmodell der Zukunft auseinanderzusetzen und mich auf diesem Weg digitalen Projekten zu widmen. Wir probieren viel aus und bewegen uns auch mal auf unkonventionellen Wegen. So haben wir einen ressourcenschonenden LKW-Reifen namens „Malocher“ entwickelt und schon mehrere Projekte mit Start-Ups aus der Region gestartet, zum Beispiel für Softwarelösung oder mobilen PKW-Service.

 

Zudem bin ich für die übergeordneten Bereiche Vertrieb und Marketing zuständig. Für mich sind das die Herzstücke eines Handelsunternehmens und daher auch Themen mit denen man sich schnell mal 110% seiner Zeit beschäftigen kann.

Deshalb ist mir die gesunde Balance zwischen operativen Themen und strategischen Zukunftsfragen wichtig.

 

Mein Vater übernimmt Bereiche, bei denen seine Erfahrung besonders von Nutzen ist und die sehr zeitintensiv sind. Er kümmert sich also bspw. um die Finanzen, Immobilien, auch viel um das Personal und bringt seine Erfahrung mit unverändert großer Leidenschaft auch in allen unternehmerischen Fragestellungen ein.

Kannst du dir eine Doppelspitze auch in Zukunft vorstellen?

Wenn sie richtig angegangen wird, ist die Kombination von Senior und Junior in einem Unternehmen extrem wertvoll und kann eine sehr gute Basis für innovatives Handeln darstellen. Historisch betrachtet haben wir als Unternehmen immer dann das größte Wachstum verzeichnen können, wenn zwei Generationen gleichzeitig im Unternehmen waren. Ich fände es sehr schade, wenn das wegfällt, deshalb könnte ich mir sehr gut vorstellen auch in Zukunft Verwaltungsthemen abzugeben – auch an einen Fremdgeschäftsführer. Die Frage habe ich mir final aber noch nicht beantwortet.

Was macht Familienunternehmen so besonders?

Die langfristige Orientierung. Das ist nicht nur in Familienunternehmen das größte Pfund. Ich habe gerade erst heute Morgen einen Podcast mit Jürgen Klopp als Gast gehört. Er sagte, dass er immer langfristige Perspektiven in seinen Stationen als Coach in Clubs bekommen hat und nur so auf die Strukturen und die Kultur Einfluss nehmen und wirklich tiefgreifende Änderungen umsetzen konnte. Der Erfolg gibt ihm und seinen Arbeitgebern uneingeschränkt recht.

 

Wenn alles gut läuft, habe ich die tolle Perspektive meine jetzige Tätigkeit noch viele Jahrzehnte ausführen zu dürfen. Das bedeutet auch, dass ich mich nachhaltig um Kultur und Klima im Unternehmen kümmere. Bei uns arbeiten „Malocher“. Für die Jobs, die wir anbieten ist nicht Jedermann gemacht, Handwerk und Handel eben. Trotzdem möchte ich, dass hier möglichst alle gerne zu Arbeit gehen und aus gutem Grund bei uns beschäftigt sind. Ich würde mich verdammt schwertun, ein Unternehmen zu führen, bei dem das Gegenteil der Fall ist. Das Tolle: Ich kann in unserer Konstellation riesigen Einfluss darauf nehmen und kulturelle Veränderungen vorantreiben.

 

Letztlich möchte ich mich um Kontinuität und Langfristigkeit bemühen. Die Vision, das Unternehmen perspektivisch in die nächste Generation zu übergeben, die treibt mich schon an.

Reifen und Fachkräftemangel? Was sind eure Herausforderungen?

Kaum mittelständische Betriebe, die handwerklich arbeitende Menschen für ihren Erfolg brauchen, werden das Thema Fachkräftemangel nicht spüren. Wir sind auf dem Papier ein Handelsbetrieb, aber bei uns arbeiten über 100 „Malocher“, die Reifen montieren, sortieren reparieren und runderneuern. In der Branche ist der Fachkräftemangel mittlerweile das stark dominierende Thema. Der Reifenfachhandel hat hier sicherlich ein Attraktvitätsproblem.

Im Gegensatz zum allgemeinen Trend habt ihr aber einen Bewerbungsrekord für das Jahr 2022/23 zu vermelden, zum Beispiel auch für Ausbildungsplätze. Wie schafft ihr das?

Das stimmt, wir haben genug Leute an Bord und jährlich kommen tolle neue Fachkräfte aus unserer eigenen „Schmiede“ hinterher und beenden erfolgreich ihre Ausbildung. Es braucht heutzutage sicher kreative Lösungen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Ein Beispiel aus den letzten 2 Jahren: Wir sind Teil der Top Service Team KG. Eine Kooperation von momentan elf Familienunternehmen der Reifenbranche, die Hand in Hand, ehrlich und freundschaftlich gemeinsam daran arbeiten, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Zu Beginn haben wir in diesem Kreis viel über große Zukunftsthemen wie die Digitalisierung gesprochen, sind dabei aber immer wieder darauf zurückgekommen, dass unser eigentliches Problem die mangelnde Attraktivität der Reifenbranche ist. Hier ziehen wir jetzt alle an einem Strang. Unterstützt werden wir dabei von philoneos, die uns mit ihren Erfahrungen aus verschiedenen Branchen und kreativen Ideen neue Perspektiven aufzeigen.

 

Schon lange bevor das Thema in allen Köpfen so derart präsent war, haben wir bei Reifen Stiebling viel unternommen, was auf das Thema „Arbeitgebermarke“ einzahlt, allerdings ohne den Begriff dafür bewusst zu nutzen oder die Theorie dahinter dem Lehrbuch entnommen zu haben. Mein Vater und ich können uns für die Arbeit, die unsere „Menschen mit Profil“ hier tagtäglich leisten, einfach begeistern. Ich habe da höchsten Respekt davor – wir haben einfach flächendeckend richtig gute Leute im Unternehmen. So kam auch der Slogan „Menschen mit Profil“ im Jahr 2010 zustande. Vor 13 Jahren war es noch überhaupt nicht in Mode, die eigenen Mitarbeitenden so dermaßen in „Reihe 1“ zu stellen. Das weckte bei vielen Stolz und Motivation. Heute haben wir deshalb sogar einen Firmensong. Durch diese zahlreichen großen und kleinen Maßnahmen stellen wir uns dem Fachkräftemangel entgegen.

Ein Firmensong…?

Anlass war unser 90-jähriges Jubiläum, das wir 2019 gefeiert haben. Mein Bruder Tobias spielt in mehreren Bands und so hatten wir die Idee, einen Firmensong zu kreieren, der wirklich Spaß macht und ohne den üblichen Fremdscham auskommt. Tobias hat dann den Song komponiert und eingesungen, wir haben ein Video dazu produziert und QR-Codes mit dem Youtube-Link neben vielen CDs an Mitarbeitende und Kund:innen gestreut. Mein Bruder muss den Song heute noch öfter mal zum Besten geben und tritt auch auf Firmenfeiern auf. Bis heute werden wir bei nahezu jedem Bewerbungsgespräch auf den Unternehmenssong angesprochen. Der Slogan „Menschen mit Profil“ ist seitdem kaum mehr wegzudenken.

Zudem wollt ihr mit euren Mitarbeitenden ein Job-Swapping machen. Was genau habt ihr da vor?

Wir tauschen Mitarbeitende aller Bereiche – von Montage bis Verkaufsleiter –  zwischen einem Betrieb von uns und einem Reifenhändler eines Branchenkollegen unserer Kooperation. Aktuell starten wir mit einem Kollegen aus Münster. Danach wollen wir uns zusammensetzen und herausarbeiten, in welchen Bereichen wir voneinander lernen können. Die beteiligten Mitarbeitenden werden in die sich daraus ergeben Veränderungen miteinbezogen. Nicht nur deswegen ist das eine spannende Erfahrung für die Mitarbeitenden – sie können dadurch außerdem für eine Woche in einer anderen Stadt leben und erhalten ein kulturelles Rahmenprogramm. Unsere Gesellschafter kommen u.a. aus Berlin, München, Nürnberg… Das sind schon lohnende Reiseziele und hinter jedem Zielort steckt ein tolles Familienunternehmen.

Welche drei Trends werden, Deiner Einschätzung nach, unsere Wirtschaft und Gesellschaft bis 2040 fundamental beeinflussen?

Nach allem was ich weiß, scheint der wirtschaftliche und politische Zenit von Europa überschritten. Das wird sich auf unseren Wohlstand auswirken. Neue Technologien werden an Relevanz gewinnen – wohl ohne, dass die entscheidenden Impulse dafür aus unserer unmittelbaren Nähe kommen. Niemals vergessen darf man zudem den Klimawandel, der alle Bereiche unseres Lebens berühren wird. Letztlich der Wandel in der Demographie. Unsere Heimatstadt Herne schrumpft zum Beispiel im Mehrjahresvergleich konsequent.

 

Klingt jetzt alles ziemlich ernüchternd, auch wenn das meine Einstellung gar nicht so wiederspiegelt. Trotz alledem darf man ja natürlich träumen. Dürfte ich es mir malen, würde ich 2040 auf dem Weg zur Arbeit durch ein grüneres und lebenswerteres Ruhrgebiet fahren. Ich stelle mir gerne vor, dass innovative und grüne Firmen sich im Ruhrgebiet in noch höherem Tempo ansiedeln und wir uns ein eigenes kleines Ökosystem schaffen. Das Potential in unserer Region ist grundsätzlich viel höher, als man es so annimmt. Das gilt sogar für Herne, wo glücklicherweise eine ganze Menge angeschoben wird.

 

Außerdem hoffe ich darauf, dass zahlreiche tolle Familienunternehmen auch in oftmals schweren Phasen den Mut und Innovationsgeist nicht verlieren und Ihre Firmen mit Leidenschaft in die nächste Generation führen. Es braucht starke Familienunternehmen mit einer generationsübergreifenden Ausrichtung, egal, welche Trends uns in Zukunft erwarten.

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